„Das Theater darf nicht danach beurteilt werden, ob es die Gewohnheiten seines Publikums befriedigt, sondern danach, ob es sie zu ändern vermag.“

Dieses Brechtzitat setze ich unkommentiert als Überschrift für einen Artikel über Castorf. Es lohnt sich nicht die Paywall zu öffnen, um den gequirlten Quatsch seines Spiegel-Interviews (Spiegel, 28.04.20) weiterzulesen. Oder um es mit den Worten von Barrie Kosky zu schreiben: „Ich kann wie Herr Castorf Grumpy-old-white-man-Kommentare machen, aber das ändert auch nichts.“ (Berliner Zeitung, 03.05.20) Danke dafür!

Die prägende Zeit Castorfs als Intendant und künstlerischer Einflussgeber ist vorbei! Er hat in der Volksbühne spannende Projekte und mich prägende Künstler zugelassen. Aber in den letzten Jahren nach seiner Intendanz – da mag Frust und Ärger oder eine gewisse skandalträchtige Freiheit bestimmt mitschwingen – hat er Aussagen getroffen, die ich so nur von einer extremen Rechten höre. Nun erhaschen ja viele Künstler (ich finde nur Männer – ein Zusammenhang wäre bestimmt herzustellen) in den Medien mit solchen Aussagen Aufmerksamkeit – ich denke da beispielsweise an den Ausschluss Lars von Triers von Cannes. Und vielleicht habe ich selbst noch nicht begriffen, dass Künstler*innen nur über Skandale überleben können. Letztendlich habe ich mich selbst oder wurde von Freund*innen in extremen Aussagen erwischt, die ich am Ende bereut und zurückgenommen habe. Die Frage ist allerdings: bezwecke ich einen Mehrwert mit einer öffentlichen Aussage, weil die Aussage selbst Teil eines Kunstprojektes ist (dies würde ich Schlingensief unterstellen wollen), sich selbst ironisiert oder ist diese Aussage einem Aufmerksamkeitsbedürfnis geschuldet, dessen populistische Meinung gehört werden will. Vielleicht ist es auch männlicher Narzissmus mit einen Hauch Penisneid?

Ich bin da uneins.

Mir ist aber klar, dass ich bei all dem Aussagengebrüll, welches in Internet und Medien von irgendwelchen Lungenärzten oder rechten Populist*innen getätigt wird, das eines alten sexistischen und autoritären Regisseurs, der den Hausarrest durchaus zum Nachdenken nutzen könnte, nicht mehr hören mag. Allzumal, selbst wenn sie Provokation wäre, ich den Sinn dahinter nicht erkennen kann, was es bringen soll neoliberale „Gutmensch“-Linke wie mich zu erschrecken.

Und gerade merke ich, dass es doch einen Zweck hat.

Zu erkennen, dass ich „republikanischen Widerstand“ gegenüber jenen Machtfiguren ausüben will, die mich in der Theaterpraxis immer wieder zerstört, entkräftet, fertig gemacht und nicht ernst genommen haben, weil sie mich als jungen Menschen aus ihrer dekadenten Machtposition und Selbstliebe heraus nicht ernst nehmen. In dem Sinne – danke Castorf für das Bewusstmachen, dass ich für jemanden wie Sie nicht mehr arbeiten werde!

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